Risiko „Freier Mitarbeiter“

  • Blog im Arbeitsrecht
  • Verfasser: Dr. Harald Ramminger
  • Qualifikation: Rechtsanwalt, Steuerberater, Notar
  • Stand der Bearbeitung: 18.02.2024

Die Vorteile freier Mitarbeiter für Unternehmen

Der so genannte „freie Mitarbeiter ist bei Unternehmen beliebt, denn:

  • er unterliegt nicht der Sozialversicherung,
  • er hat keinen Urlaubsanspruch,
  • er bekommt im Krankheitsfall oder bei Arbeitsverhinderung keine Lohnfortzahlung und
  • der Unternehmer kann einen unbefristeten Vertrag mit ihm jederzeit kündigen, ohne an das Kündigungsschutzgesetz gebunden zu sein.

Auch der Mitarbeiter selbst ist durchaus interessiert, nicht in das deutsche Rentensystem einzahlen zu müssen.

Hohes Risiko für Unternehmen

Der Einsatz freier Mitarbeiter ist für ein Unternehmen aber nicht ohne Risiko. Denn nach seriösen Schätzungen ist statistisch gesehen jeder dritte freie Mitarbeiter aber ein so genannter Scheinselbstständiger, d.h. er ist – trotz Gewerbeanmeldung und Rechnungsstellung rechtlich als Arbeitnehmer anzusehen. Das bedeutet in der Konsequenz: Für ihn gelten dann die zwingenden Schutzvorschriften des Arbeitsrechts, insbesondere die

  • Sozialversicherungspflicht, d.h. Renten- und Krankenversicherungspflicht
  • Kündigungsschutz bei Betrieben, die mehr als 10 Beschäftige haben,
  • Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz,
  • Lohnfortzahlung bei Krankheit.

Die Konsequenzen einer falschen Einstufung – wissentlich oder unwissentlich – sind gravierend: Der Arbeitgeber muss bis zu 4 Jahre lang die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen – und zwar auch die Arbeitnehmeranteile. Zudem haftet das Unternehmen für nicht abgeführte Lohnsteuer, falls sie vom Arbeitnehmer nicht zu erlangen ist. Die finanziellen Auswirkungen können für den Unternehmer existenzbedrohend sein, insbesondere wenn es um mehrere Arbeitsverhältnisse geht! Zudem kann dem Unternehmer der Vorwurf strafbaren Handelns gemacht werden (§ 266a StGB und Steuerhinterziehung).

Wird der freie Mitarbeitervertrag gekündigt, so kann der freie Mitarbeiter das Arbeitsgericht mit der Kündigungsschutzklage anrufen. Die Kündigung bedarf dann eines betriebsbedingten, personenbedingten, oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes, sofern der Arbeitgeber dauerhaft mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Meist fehlt es auch an einer notwendigen Anhörung des Betriebsrats.

Arbeitgeber sind daher dringend davor zu warnen, ohne sachkundige Beratung freie Mitarbeiter einzustellen oder gar einem entsprechenden Wunsch eines Arbeitnehmers, künftig auf Rechnung zu arbeiten, nachzukommen. Für die Abgrenzung ist nicht entscheidend, ob Rechnungen geschrieben wurden, ob eine Gewerbeanmeldung erfolgt ist und ob Umsatzsteuer in der Rechnung ausgewiesen wurde.

Beurteilung

Alleine entscheidend sind die Verhältnisse des Einzelfalles:

  • Inwieweit der Dienstverpflichtete in die Organisation des Auftraggebers und den Betriebsablauf eingebunden wurde, insbesondere ob er in der Ausübung der Tätigkeit frei war,
  • wer die Arbeitsmittel stellen sollte,
  • ob der Dienstverpflichtete die Dienste höchstpersönlich ausführen sollte oder delegieren durfte,
  • ob der Dienstverpflichtete im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist,
  • ob der Dienstverpflichtete eigene Mitarbeiter beschäftigt oder nicht.

Dies gilt übrigens auch dann, wenn die Tätigkeit vom Arbeitnehmer über eine Ein-Mann-GmbH oder Ein-Mann-UG (haftungsbeschränkt) erbracht wird und auch dann, wenn der Mitarbeiter über ein Zeitarbeitsunternehmen vermittelt wird, denn für Sozialversicherungsabgaben haftet auch das Entleihunternehmen.